AKTUELLES AUS DEM SCHULLEBEN

Bericht vom Nagelkreuzgottesdienst

Am Sonntag, den 24.9.24 wurde von allen Nagelkreuz-Zentren weltweit der Internationale Nagelkreuz-Sonntag gefeiert. 

Als diesjähriger Gastort des Würzburger Wander-Nagelkreuzes gestalten wir vom Dag-Hammarskjöld-Gymnasium den Würzburger Gottesdienst mit und alle waren herzlich eingeladen, um 10 Uhr in der St. Johannis-Kirche im Rennweg mitzufeiern. 

Die Predigt und einige Bilder der gelungenen Veranstaltung hier:

Liebe Schwestern und Brüder,

auf’s erste Hören sind die Worte des Propheten Jeremia, die Herr Beck-Mathieu uns vorhin verlesen hat, ziemlich weit weg von den Themen, über die wir heute eigentlich nachdenken wollten, Klimawandel, Generationenkonflikt und Versöhnung im Zeichen des Nagelkreuzes. Wir wollen die entscheidenden Verse noch einmal anhören:

4 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen:
5 Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte;
6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.
7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.

Für die Israeliten, an die diese Worte zuerst gerichtet waren, war das  eine unerhörte, eine enttäuschende und eine empörende Botschaft.

Rein historisch sind wir im 6. Jhdt. vor Christus. Die Großmacht im Nahen und Mittleren Osten ist das Neubabylonische Reich unter König Nebukadnezar II. Die Babylonier hatten Israel angegriffen und erobert und in der Folge weite Teile der Oberschicht deportiert. Etwa viereinhalb Tausend Menschen, Priester, Adlige, Gelehrte, fähige Handwerker usw. wurden in drei großen Umsiedlungswellen ins Exil nach Babylon geführt. Zum einen sollten die Deportierten sich mit angestammten Bevölkerung vermischen, um sich bald als Teil der Babylonier zu fühlen, also assimilieren. Zum anderen sollte der „Brain drain“, das meint den Abzug von Intelligenz und Kompetenz und religiöser Führung, die Gefahr von Aufständen im Heimatland mindern, so das Kalkül des babylonischen Königs.

Die Israeliten dachten anders. Die Eroberung des Landes und die Deportation deuteten sie als Strafe, weil sie allzu lang Gottes Wort und Willen missachtet hatten. Aber sie rechneten fest damit, dass diese Strafe zeitlich begrenzt sein würde, dass sie absehbar nach Israel zurückkehren könnten. Und jetzt das: baut euch ein Leben auf im Exil, wohnt dort, gründet Familien, pflanzt Gärten und esst ihre Früchte. Wer schon einmal einen Garten neu angelegt hat, Wein gepflanzt hat oder Obstbäume, weiß, wie lange es dauert, bis man einen nennenswerten Ertrag hat: wir reden über Jahre! Jeremias Botschaft zerschlägt die Hoffnung auf eine Rückkehr in absehbarer Zeit; die Israeliten sollen sich auf Dauer in ihrer Gefangenschaft einrichten! Aus der Nummer kommen sie so schnell nicht raus…

Wir haben uns das in den Klassen auch gefragt: was sind vielleicht unsere Gefangenschaften? Aus welcher Nummer kommen wir nicht raus? Die Antwort kam schnell: aus der Schule… War klar.

Und eine ernsthafte Antwort lag genauso auf der Hand: die Erde im Klimawandel. Sowenig wie für Volk Israel gibt es für uns alle hier einen Weg zurück in Zeiten, in denen der Planet im Gleichgewicht war. Sowenig wie die, die in babylonischer Gefangenschaft sitzen, irgendwohin ziehen können, wo es ihnen besser gefällt, können wir hier die Welt anhalten und aussteigen. „There ist no planet B…“

Und so wie für die Israeliten damals sind unsere individuellen  Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Sicher, es gibt jede Menge Tipps und Anregungen, wie wir ressourcenschonend, nachhaltig und klimafreundlich leben können, aber am Ende können wir alle nur kaufen und konsumieren, was hier bei uns auch angeboten wird. Und da sind Kinder und Jugendliche noch einmal eingeschränkter: sie erledigen nicht den Wocheneinkauf, sie entscheiden nicht über das nächste Auto oder die neue Heizung, sie dürfen in zwei Wochen nicht zur Wahl gehen. Sie sind angewiesen darauf, dass die Erwachsenen nicht nur ihre Gegenwart sehen oder manche vielleicht jetzt schon nach der nächsten Wahl schielen, sondern dass sie ihre Zukunft mit im Blick haben und ihre Sorgen, ihre Angst mit hören.

Wobei es natürlich nicht so ist, dass die einen alles falsch machen und die anderen alles richtig machen würden. Mit dem Versöhnungsgebet von Coventry kann man auch mit Blick auf planetenfreundliches Verhalten sagen: Sie alle haben gesündigt – und sündigen noch – und bekleckern sich vor Gott beim Bebauen und Bewahren der Schöpfung nicht gerade mit Ruhm. Vater vergib.

Die babylonische Gefangenschaft der Erde im Klimawandel… Wie hören wir jetzt die Worte des Propheten?

4 So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels, zu allen Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen:
5 Baut Häuser und wohnt darin; pflanzt Gärten und esst ihre Früchte;
6 nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter, nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, dass sie Söhne und Töchter gebären; mehrt euch dort, dass ihr nicht weniger werdet.
7 Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.

Und auf einmal dreht sich das Bild. Für uns wird hier keine Hoffnung zerschlagen, im Gegenteil: da ist eine Zukunft! Und die könnt, die sollen wir gestalten. „Freiheit in der Gefangenschaft“, so hat das eine Schülerin zusammengefasst, und die Gewissheit, dass der Schöpfer eine Next Generation will. Freilich ist das kein Selbstläufer, sondern braucht viel Kraft und einen langen Atem. Ein Haus bauen, bis man darin wohnen kann, das passiert nicht von heute auf morgen. Land urbar machen, bis man sich davon ernähren kann – da fließt viel Schweiß, da wird die Geduld arg strapaziert. Und wer Kinder großzieht, kann bei Begriffen wie „Arbeitszeitbegrenzung“ oder „Erholungsurlaub“ ohnehin nur müde lächeln. Und zugleich geht in Jeremias Worten über alledem gewissermaßen die Sonne auf und zeigt den Blick nach vorn. Da ist eine Zukunft und Gott ist mit dabei.

Was ist nun mit dem Generationenkonflikt? Irgendwer muss uns in diese Gefangenschaft gebracht haben…

Ich persönlich lese ja mit Wonne auf mainpost online die Kommentarspalten unter so manchen Artikeln, und dort ist der Konflikt mit Macht am Toben. Die einen prangern an, dass Eltern ihre Kinder im dicken SUV zur Schule kutschieren, mit dem neuen Holzofen Feinstaub ohne Ende über die Nachbarschaft verteilen und mit dem Dauerkonsum von peruanischen Avocados einen gigantischen CO2-Abdruck verursachen. Die anderen ätzen dagegen, dass während des Sommers die Fridays-for-future-Demos ausgefallen sind, weil die Kids alle im Flieger nach Malle oder Bali saßen, in der Hosentasche das neueste Smartphone und in der Hand den Einweg-Kaffeebecher.

Solche Töne sind in den Klassen nicht vorgekommen. „Die Generationen vor uns haben das ja nicht mit Absicht gemacht. Sie wussten es damals nicht besser“, war ein Statement. „Auch wenn man erwachsen ist, hat man ja längst nicht auf alles Einfluss,“ ein anderes.

Der letzte Vers aus dem Prophetenabschnitt wird da ganz wichtig: „Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zum Herrn, denn wenn’s ihr wohlgeht, so geht’s euch auch wohl.“ Die Stadt, das sind wir alle, Große und Kleine, Menschen, Pflanzen und Tiere, die Schöpfung eben. Das Beste für die Stadt erreichen wir nicht im Gegeneinander. Kinder und Jugendliche wollen für ihre Eltern und Großeltern, dass sie keine Klimakatastrophe erleben müssen, sondern auch eine wirkliche Zukunft haben. Sie wollen das Beste für sie und wünschen sich, dass sie dabei unterstützt werden. Und Eltern und Großeltern wollen das Beste für die Kinder und Jugendlichen und wünschen sich genauso, dass die mitziehen. „Suchet der Stadt Bestes“, das ist für uns alle miteinader gleichermaßen Hoffnung auf eine gute Zukunft wie handfester Arbeitsauftrag von Gott. Wie so oft: Zuspruch und Zumutung in einem. Aber nie ohne sein Geleit.

Und auch damit sind wir ganz beim Versöhnungsgebet von Coventry:

Seid untereinander freundlich, herzlich und vergebt einer dem anderen, wie Gott euch vergeben hat in Jesus Christus. Amen.

(Text: A. Biller, Bilder: A. Popp)