Wie ist es, am bayerischen Dag-Hammarskjöld-Gymnasium in Würzburg zu hospitieren? Wie ist es, den Ablauf des Unterrichts zu sehen? Was hat uns dabei beeindruckt und überrascht?
Wir, Eva Drymlová und Štěpánka Hezká, sind zwei Studentinnen der Universität Hradec Králové (Tschechien) und wir hatten die Gelegenheit, einen Monat lang mitten im Geschehen am Dag zu sein. Fassen wir es in ein paar Punkten zusammen:
Zunächst möchten wir zeigen, was auf den ersten Blick anders als in tschechischen Gymnasien ist:
- Das Schulgebäude ist im Allgemeinen anders als bei uns gestaltet. Eine Besonderheit ist die Aula, in der sich alle treffen und frei äußern können. Es gibt Platz für Schulveranstaltungen, für die tschechische Schulen andere Einrichtungen (Turnhallen/Kulturhäuser) nutzen müssen.
- Außerdem war der Dienstagsimpuls für uns etwas völlig Neues. Die Schüler*innen haben die Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern, zu erfahren, was es Neues an der Schule gibt und sich schließlich für die neue Woche motivieren und inspirieren zu lassen. Wir haben so etwas noch nie erlebt und halten es für eine großartige Idee.
- Auch der Gong, der die Stunden trennt, ist eine interessante Sache für uns. Er ist sehr leise und gefällig, aber jeder nimmt ihn wahr. In Tschechien haben wir einen deutlicheren Ton, der an eine Feueralarmglocke erinnert.
- Bei den Schülerinnen und Schülern ist ein deutlicher Unterschied zu erkennen, nämlich dass sie ihre Jacken mit sich tragen und sich nicht umziehen. Bei uns muss alles in der Garderobe abgegeben werden.
- Das Handy-Verbot finden wir als etwas Tolles, weil es zu einer natürlichen Kommunikation sowie Stärkung der Beziehungen zwischen den Schülerinnen und Schülern führt und Raum für sportliche Aktivitäten in der großen Pause lässt.
- Und die Pausen sind ein weiterer interessanter Punkt für uns. Bei uns sind zehnminütige Pausen zwischen allen Unterrichtsstunden üblich. Wir sehen das Unterrichten ohne Pausen einerseits als positiv an, weil es Zeit spart, andererseits aber ziemlich hektisch ist.
- Schon nach wenigen Tagen haben wir festgestellt, dass an diesem Gymnasium ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern besteht, sowohl bei den Lehrkräften als auch bei den Schülerinnen und Schülern. Im Vergleich dazu überwiegen an unseren Schulen Frauen und Mädchen. Auf den ersten Blick fällt auch die nationale Vielfalt auf und es ist sehr schön zu sehen, dass Kinder anderer Nationalitäten ohne Unterschied akzeptiert werden.
Und was passiert, wenn sich die Klassenzimmertür schließt? Auf den ersten Blick sieht das Klassenzimmer ähnlich wie unseres aus, aber das ist es nicht.
- Was die Elektronik betrifft? Das Dag ist modern! Der Einsatz von Tablets durch Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler, deren Einbindung in den Unterricht und die Nutzung der Möglichkeiten, die sie bieten, bringen das Lernen weiter. In unseren Grund- und Sekundarschulen wird nach wie vor die traditionelle papiergestützte Form des Unterrichts unterstützt. Das hat sich für uns nur an der Universität geändert, wo wir gelegentlich ein Handy, einen Laptop oder ein Tablet für Notizen einstecken. Aber auch dort gibt es Dozenten und Dozentinnen, die die Verwendung von elektronischen Geräten verbieten. In unseren Grundschulen ist es üblich, den ganzen Tag lang normale Schulbücher im Rucksack zu tragen, und in unseren Gymnasien kaufen wir sie aus eigenen Mitteln (es gibt immer eine Börse, auf der ältere Schülerinnen und Schüler ihre Schulbücher verkaufen).
- Das System der doppelten Schulbücher, die von der Schule bezahlt werden, ist für uns sehr angenehm.
- Eine weitere sehr angenehme Überraschung für uns ist die Einbeziehung des Lesens in die tägliche Routine. So etwas haben wir in unserer Grundschule nicht. Es ist zwar üblich, ein so genanntes Lesetagebuch zu führen, in dem wir auflisten, was wir gelesen haben, was uns daran gefallen hat und ob wir das Buch weiterempfehlen würden. Aber das ist nicht sehr effektiv, wenn es darum geht, größeres Interesse am Lesen zu wecken. Uns gefallen diese zehn Minuten Lesen genauso gut wie die Lernzeit in der Unterstufe. Eine Stunde, in der verschiedene Aufgaben und Übungen gemeinsam bearbeitet werden, wäre eine schöne Sache, die man in jeder Schule einführen könnte.
- Erfreulich ist auch, dass im Fremdsprachenunterricht versucht wird, die Sprache auch über die Kulturen, Persönlichkeiten und historischen Kontexte der Länder, in denen die Sprache verwendet wird, zu lernen. Und zwar nicht nur durch das Üben von Grammatik und Vokabeln, was normalerweise der Fall bei uns ist.
- Darüber hinaus kann man sagen, dass die Schüler über ein sehr gutes Englischniveau verfügen. Dazu tragen sicherlich die Art des Unterrichts und die vielen praktischen Anwendungen bei. In unserem Land sind die Schüler nicht so sehr gezwungen, die Fremdsprachen zu benutzen – mehr Theorie als Praxis im Unterricht, synchronisierte Filme, minimale Fremdsprachenkenntnisse in den Familien usw.
Abschließend möchten wir feststellen, dass die Schule wirklich gut ausgestattet ist. Die Schüler haben hier sehr viele Möglichkeiten, etwas zu tun. Wir schätzen die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer gegenüber den Schülerinnen und Schülern sehr, einige von ihnen haben uns durch ihre Arbeit im Rahmen eines alternativen Bildungsansatzes wirklich inspiriert und motiviert. Wir sind sehr dankbar für diese Gelegenheit, die Arbeitsweise am Dag-Hammarskjöld-Gymnasium kennenzulernen, unser Deutsch und Englisch zu üben und viele tolle Leute zu treffen.
Wir sind froh, dass wir gekommen sind und danken Ihnen, Astrid Böhme für die Betreuung unseres Praktikums, und allen Kolleginnen und Kollegen, deren Unterricht wir besuchen durften – ein herzlicher Dank für einen Monat voller Erfahrungen!
(Fotos: Astrid Böhme und Julia Hayn, Text: Eva Drymlová und Štěpánka Hezká)